Sonntag, 3. März 2013

Zwischen "Lolly-Fudge-slices" und "Yo-Yo-biscuits"


Es gibt gute Neuigkeiten… Ich und mein Bruder haben beide einen Job ergattern können! Aber erstmal zurück auf Anfang:

Weg von Nelson ging es per Bus in Richtung Südosten in die erdbebengefährdete Gegend Canterbury, genauer in die ehemals florierende nach englischem Vorbild errichtete Stadt Christchurch, von der beim ersten Blick nicht mehr viel übrig geblieben war. Zwei Tage verbrachten wir in Christchurch um uns auf Arbeitssuche zu begeben. Die Unterkünfte waren dabei doch recht teuer im Vergleich zu den restlichen im ganzen Land. Das billigste Hostel lag bei rund 28 Dollers… na Prost Mahlzeit! Trotzdem fanden wir zwei ansprechende Hostels. Eines dieser stach besonders hervor. Es nannte sich liebevoll „Jailhouse Accomodation“ (Gefängnisunterkunft). Und genau das hielt es auch bereit. Der Gefangenentrakt war vollkommen weiß gestrichen, alte Gefängniszelltüren waren erhalten geblieben. Im Erdgeschoss gab es neben Küche ein Minimuseum zu bestaunen, in dem man viel von dem ehemaligen Gefängnis erfahren konnte. Stilgerecht musste natürlich auch eines dieser typischen „ich-bin-im-Gefängnis-und-es-interessiert-mich-kein-Stück“-Fotos her. (wird später beigefügt)

Der Gefangenen-Trakt


Genießen konnten wir Christchurch in diesen zwei Tagen nicht wirklich. Zunächst machten wir uns auf zu einer Bäckerei, dessen Bäckermeister ein guter Freund von Freunden unserer Familie war und er wegen diesen „Connections“ einen Job für uns hätte. Alles lief Top. Damit hatte ich meinen ersten Job in der Tasche, konnte sogar mit bei seiner Familie leben. Mein Bruder hatte hingegen nicht so viel Glück. Anderthalb Tage bewegten wir uns durch Christchurch auf der Suche nach Bars, Restaurants und… einfach alles um einen weiteren Job zu finden – erfolglos. „Senden Sie uns einfach eine E-Mail“ oder „Lassen Sie uns einfach einen Lebenslauf da“ hörten wir nur.


Etwas geknickt begaben wir uns schließlich nach Akaroa um dort mit der vorerst letzten Gastfamilie für zwei Wochen zu leben (wie immer Arbeit im Tausch gegen Essen und Unterkunft). Und wieder einmal hatten wir gründlich recherchiert. Unsere „Gastgroßeltern“ waren einfach der Hammer! Etwas außerhalb von Akaroa betrieben die beiden eine Farm und halfen extra noch ihrer Tochter in ihrem Hostel in der Stadt aus. 
Völlig ungezwungen hatten wir oft viele Gespräche mit ihnen. Das eine oder andere Mal nahm uns Penny auch mit zum Strand oder in die Stadt. Zusätzlich halfen sie uns noch bei der Jobsuche, bis, kurz vor Ende des Aufenthalts bei ihnen, die ganze Suche endete. Mein Bruder fand einen Job in einer Bar in Akaroa und konnte sogar im von der Tochter von Penny geführten Hostel „kostenlos“ wohnen (ab und zu musste er kleinere Aufgaben erledigen). „Good as gold, dear“ hieß es dann immer seitens Penny. Als wenn das nicht schon gereicht hätte konnten wir jeden Abend ein Feierabendbier genießen – was will man mehr? ;)
Schließlich hieß es also für die nächsten Wochen Abschied von meinem Bruder zu nehmen. Für mich ging’s geradewegs nach Christchurch, mein Bruder blieb in Akaroa.


Der Strand von Akaroa lädt zum Träumen ein ;)


Die gute, alte Penny


Selbstgebackene Biscuits von mir - ja, sie hatten geschmeckt :D


Utopische Aussichten hinunter zum Hafen Akaroas


Eines der vielen Kreuzfahrtschiffe, die im Sommer über Akaroa ansteuern



Etwas verschwitzt und kaputt an der Bäckerei angekommen wartete ich am Eingang auf Sothea, den Bäckermeister der Burwood Bakery aus Kambodscha, in der ich die nächsten Wochen arbeiten würde. Mitsamt Familie und Auto mit schicker Innenausstattung wurde ich abgeholt. Das Haus lag in einer Einfamiliensiedlung nicht weit von der Bäckerei entfernt. Typisch vorstadtmäßig glich ein Haus dem anderen (inklusive Vorgarten mit fein gemähten Gras). Im Haus angekommen sprang mir gleich ein riesiger Fernseher entgegen. Hoch lebe die Multimedia-Technik! Ich hatte mein eigenes kleines Zimmer mitsamt Bett, Arbeit und nette Gasteltern – einfach klasse!
Nun sind schon vier Wochen vergangen, in denen ich schon viel gearbeitet habe aber auch viel von Christchurch gesehen habe! Die Arbeit besteht für mich vor allem aus Backen und Abwaschen. Neben den „Pies“ (aus Blätterteig bestehende Fleischpasteten) , die hauptsächlich von Sotheas Bruder gebacken werden war es meine Aufgabe alles andere zu backen – von „Yo-Yo-biscuits“ über „Custard-slices“ und Schokomuffins zu dem wohl süßesten Gebäck, was ich jemals gesehen habe: „Lolly-Fudge-slice“. Allein beim backen bekam man da schon Diabetes. Die Hauptbestandteile waren Butter, Zucker, Kakaopulver, Marshmallows und Eskimos (andere Art von Marshmallows). Dahingehend ist das Motto der Kiwis zu Recht:“Umso süßer umso besser!“ Natürlich durfte ich die kambodschanische Freundlichkeit am eigenen Leib erfahren und deshalb immer reichlich vom Süßkram probieren. Und ich muss echt sagen, dass fast alles super schmeckt… in Maßen! Bei einigen Kuchen, wie dem „Carrot-Cake“ denkt man sich, wie man da ein Stück verdrücken kann ohne dass einem schwarz vor Augen wird. Die anderen Mitarbeiter sind alle sehr nett, vor allem Anne, die mich jetzt bereits zwei Mal zu sich eingeladen hatte. Das erste Mal hatte sie mich mit ihrem Freund zum Strand mitgenommen und mir viel über Christchurch erzählt. Bei dieser Rundfahrt bemerkte ich erst einmal, wie riesig und unteschiedlich Christchurch doch sein konnte. Da gab es die Innenstadt, teilweise zerstört, teilweise zugebaut, aber auch die weiten Wiesen und die kilometerlangen Strände. Und jetzt haltet euch fest: in Christchurch kann man sogar surfen gehen! Das werde ich auf jeden Fall mal auschecken ;) 


Über den Wolken...


Irgendwo zwischen Lyttleton und Christchurch City


Eine Palmenallee - herrlich :)


Das andere Mal hatte sie mich zu einem Filmabend mitsamt Chips, und anderen Fressalien eingeladen. Filmverrückt wie sie ist (und ich es zugegebenermaßen auch manchmal bin) gab sie mir auch gleich zwei Filme mit, die ich mir aussuchen durfte! Jaja, die nicht enden wollende Nettigkeit der Kiwis ist etwas besonderes! Wie ich bereits erwähnt hatte kommt die Bäckersfamilie aus dem „Dritte-Welt-Land“ Kambodscha, in dem Krieg und Terror an der Tagesordnung sind. Deshalb ging es für sie in den „90ern“ nach Deutschland und später dann nach Neuseeland um dort neu anzufangen! Als ich die Familie fragte, warum sie gerade nach Neuseeland gegangen waren meinten sie hier wäre alles so friedlich. Die Eltern Pich haben zwei Söhne, die auf eine private „Primary-School“ in Christchurch gehen. Manchmal ist es schon merkwürdig, wenn man in der Bäckerei nur Kambodschanisch hört und selbst nur Bahnhof versteht (obwohl ich bereits einige Brocken dieser Sprache gelernt habe ;D ). „Kjom aju dabrambaj“. Naaaa, wer weiß was das bedeutet?^^


An den Wochenenden machte ich mich meistens auf in die Stadt um dort die Gegenden zu erkunden. Christchurch, bekannt für seine riesigen Grünanlagen und bedauerlicherweise ebenfalls bekannt für die Erdbeben, die 2010 und 2011 viele Teile der Stadt verwüstet hatten war anfangs doch ein sehr einseitig, eher stiller Ort. Nachdem ich jedoch einiges bereits erkundet habe hat sich das ganze etwas gewandelt. Zunächst einmal zu den Parks. Der größte davon ist der „Hagley Park“, der sich über eine riesige Fläche erstreckt und einen Rosengarten, große Grünflächen zum Rasten, einen schönen Brunnen zum beschauen und einen Fluss zum darauf „herumschippern“ bereithält. Man kann sich darin wirklich verlaufen!  Ich musste das am eigenen Leib erfahren^^ Jedenfalls bietet er eine schöne Möglichkeit sich ein wenig zu sonnen und auszuruhen.


"Punting on the Avon"

Der Rosengarten in seiner Pracht

... riesige Palmen dürfen da natürlich auch nicht fehlen


Der Brunnen im Hagley Park - jeder kennt ihn :)



Solche schönen Blicke erhascht man, wenn man spontan an der Avon entlang läuft. Dafür lohnt es sich auf jeden Fall!

Kleine Pinguine zum "Festival of Flowers 2013"


Des weiteren erkundete ich das Museum of Canterbury, was über die ersten Siedler in Canterbury berichtete und asiatische Kunst ausstellte.
Ein Besuch des größten Flohmarkts in Christchurch durfte natürlich auch nicht fehlen!




An einem Tag machte ich mich auf mehr über die „Seele“ der Stadt, das Gefühl hier zu leben zu erfahren. Ihr fragt euch jetzt sicherlich, was ich damit meine. Es ging mir dabei vorläufig darum zu sehen, wie die Menschen in dieser Stadt nach einer solch gewaltigen Zerstörung mit der Situation umgehen. Dabei begann ich im Morgen die „rote Zone“ zu umlaufen, die bis heute aufgrund der Einsturzgefahr der Gebäude darin geschlossen bleibt. Immer wieder konnte man Blumen an dem schmucklosen Zaun sehen, sogar kleine Briefchen waren daran befestigt, die deutlich machten, dass das Erdbeben viel mehr als nur Materielles in den Tod gerissen hatte. Das ließ einen ganz schön nachdenken. Ich erkannte das wahre Ausmaß der Erdbeben.





Später dann entdeckte ich das "Quake City", eine Ausstellung zum Thema "Erdbeben in Christchurch". Unter anderem wurden dort diverse Filmchen gezeigt, in denen Menschen über ihre Zeit während der Erdbeben sprachen. Teilweise wurde das sehr bewegend, wenn Mütter berichteten, wie sie nur eines im Kopf hatten, als das Erdbeben nach weniger als einer Minute bereits vorüber war:"Wo sind meine Kinder?" 



Der "Humor" der Kiwis nach den Erdbeben

"Christchurch - Sure to Rise" - solche Mottos versprechen viel


Jetzt war mir erstmal nach etwas Aufmunterung zumute. Also machte ich mich auf zur „Container Shopping Mall“. Ich wusste ansatzweise, was mich erwarten würde, aber es haute mich mehr oder weniger um, was ich tatsächlich sah. Viele Schiffscontainer, die man in der Stadt „en masse“ bestaunen konnte, hatte man sich vorgenommen, bunt bemalt, ausstaffiert mit Läden und damit ein Einkaufszentrum der besonderen Art kreiert.
Die Atmosphäre dort war fantastisch. Es waren so viele Menschen dort unterwegs, es wurde gelacht, Eltern kauften ihren Kindern ein Eis und zauberten ihnen damit ein Lächeln auf die Lippen, Straßenkünstler zeigten, was sie konnten und die Shops präsentierten sich von ihrer Schokoladenseite, verkauften teilweise extravagante Kleidung oder einfach nur Süßigkeiten. Damit erkannte ich, dass die Bürger von Christchurch keine andere Wahl hatten als das beste aus der Situation zu machen. Sie würden für immer mit dem Verlust leben müssen, also warum Trübsal blasen wenn man das ganze als Basis für neue Ideen nutzen kann? Dabei kam so etwas heraus.. ohne Worte!


"Re:Start" - Die Container Shopping Mall

Immerhin wirken die Zäune nicht mehr so grau!


Diverse Kunstwerke beeindrucken neben den Ausmaßen der Zerstörung

Das war aber noch lange nicht alles. Viele Kunst-Studenten hatten tatkräftig geholfen die Stadt mithilfe von Innovationen bunter zu gestalten. Neben der Mall gibt es auch das sogenannte „gap-filler-project“ („Lückenfüllerprojekt“) bei dem man sich die Lücken von Häuserzeilen vorgenommen und daraus etwas neues erschaffen hat. Zwei davon hatte ich mir näher angeguckt, die anderen von der Ferne aus gesehen. Eines davon war eine bunte Holzhütte mit einer Bank davor. Hier konnte man sich einfach ausruhen, wann immer man wollte.

Das zweite war mein absoluter Favorit gewesen. Dabei hatte man einen Buchschrank genommen und in die Mitte einer Rasenfläche gestellt. Drin waren natürlich Bücher, und das nicht gerade wenige! Das ganze nannte sich „Book Exchange“ (Buchtausch), was hieß, dass man sich daraus ein Buch nehmen und dafür eines seiner eigenen Bücher hineinstellen durfte. Eine simple Idee, die täglich intensiv von sowohl Reisenden als auch Einheimischen genutzt wurde und noch wird. Grandiose Idee, nicht?


"The books are chillin' in the fridge" :D





Damit beende ich meinen Blogeintrag. Grüße aus dem Schlaraffenland schlechthin! Ich genehmige mir jetzt einen „Ginger-slice“ :D
Euer Max 

Ps.: Bilder der Bäckerei kommen im nächsten Blogeintrag! Hier schon mal eins mit einigen Angehörigen der Familie - und ich mittendrin!




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